Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

„… allen, die sich für Worms und die Bürger dieser Stadt engagiert haben – über den üblichen Dienst und über das übliche Maß hinaus – möchte ich Dank sagen. Diese Stadt braucht Persönlichkeiten, die sich mit ihr identifizieren und die sich für Worms engagieren.

Ich wünsche mir von vielen ein stetes Engagieren für Worms,
ich erwarte von den Bediensteten der Stadt an ihrem jeweiligen Arbeitsplatz, daß die Interessen der Wormser Bürger wahrgenommen werden,
ich erwarte zumindest von Mitgliedern des Stadtvorstands und Amtsleitern eine vorbildliche Einstellung,
ich erwarte, daß Patienten des Krankenhauses, die zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal ein Krankenhaus aufsuchen müssen, sich gerne an eine freundliche, menschliche und persönliche Art der Betreuung erinnern können und dann wieder ins das Städtische Krankenhaus gehen.
Ich erwarte, daß Gas- und Wasserbezieher und Benutzer der städtischen Verkehrsbetriebe in erster Linie als „Kunde“ behandelt werden.
Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen und am Ende muß der Leitsatz stehen „die Verwaltung muß für die Bürger da sein“. Und dieser Leitsatz muß, meine Herren des Stadtvorstands, intensiver umgesetzt und realisiert werden.“

Soweit der Beginn der Haushaltsrede von Valentin Weber, FDP, zum Haushalt 1984.

Diese Haushaltsrede kann man heute noch eins zu eins so halten, man muss nur die Namen von Klinikum, EWR, VRN usw. austauschen und glücklicherweise besteht der Stadtvorstand auch nicht mehr nur aus Männern.

In der Rede Webers geht es dann noch um nicht ausgeglichene Haushalte, fehlenden Sparwillen und, dass er zielführende Investitionen vermisst.

Geändert hat sich also in den letzten 39 Jahren nichts, außer, dass ich nicht mehr 8 Jahre alt bin.

Nach wie vor geben wir insbesondere für den Sozialetat mehr Geld aus, als wir einnehmen und es herrscht Einigkeit im Rat, dass wir– trotz der Erhöhung der Almosen des Landes – diese Ausgabenlast nicht aus eigenen Kräften stemmen können.

Nach wie vor ist die Stadt Worms für die ihr von Bund und Land übertragenen Aufgaben nur unzureichend mit Finanzmitteln ausgestattet. Das ist und bleibt verfassungswidrig und schon alleine deswegen ist der Haushalt abzulehnen.

Verfassungswidrig ist auch die Verletzung des Konnexitätsprinzips!
Ein Beispiel: Heute befassen wir uns bei den TOP 14/15 mit der Erneuerung der Sirenenanlage. Das ist zunächst einmal sinnvoll.
Das Land bestellt. Das Land und der Bund geben Zuschüsse und die Stadt bleibt auf einem Großteil der Kosten sitzen. Das widerspricht dem seit 2004 in der Verfassung verankerten Konnexitätsprinzips.

In höchstem Maße der Verfassung zuwider ist jedoch, dass es für die Stadt Worms keine kommunale Selbstbestimmung mehr gibt, denn die vielzitierte Verwaltungs-Vorschrift zum §103 GemO erlaubt die Schuldenaufnahme neben der Gefahrenabwehr ja nur dann ausnahmsweise nur, wenn es eine entsprechende Förderung des Landes gibt. Das bedeutet de facto nichts anderes, als dass das Land entscheidet, was dieser Rat zu entscheiden hat.

Wenn sich der Oberbürgermeister oder Beigeordnete also über „Zuwendungsbescheide“ des Landes freuen, muss in jedem Verfassungsverständigem die Galle aufsteigen. Da wird das hohe Gut der kommunalen Selbstbestimmung ein weiteres Mal mehr zu Grabe getragen und urkundlich besiegelt.

Genauso sieht dieser Haushaltsentwurf der Verwaltung dann auch aus:

Es ist ein Haushalt der Verwaltung: Gefahrenabwehr, laufende Unterhaltung, alles wie immer, sonst nichts. Gestaltungsvorschläge der Stadtratsfraktionen bleiben aus.
Wie sollten diese auch kommen, bei der Verwaltungs-Vorschrift zum §103?

Unsere Sparvorschläge hat die Wormser Gro-Ko schon letztes Jahr vernichtet.

Was wie das Damoklesschwert über dem Haushaltsbeschluss dieses Rats schwebt, ist die Aufsichtsbehörde, die ADD.

Je nach Tagesform wird das entweder durchgewunken oder es werden wieder Steuererhöhungen gefordert. Das ist dann der dritte Tod der von der Landesverfassung garantierten kommunalen Selbstverwaltung.

Wie ist das kommunalpolitisch zu bewerten:

Die Bundes- und Landes-Ampelparteien beweinen die Situation mit Krokodilstränen, dann aber – wie immer – werden sie zustimmen. Die CDU tut das Gleiche, sie wollen Ihren Oberbürgermeister nicht in die Bredouille bringen. Lieber Klaus Karlin, zum Bellen gehört das Beißen. Die AfD – als Wolf im Schafspelz – hat Kreide gefressen und stimmt auch zu und die AfW ist – völlig ohne Substanz – sowieso gegen alles.

Jetzt zu Ihnen, Herr Verwaltung-Chef. Dass Sie nur verwalten und nicht gestalten, habe ich Ihnen schon letztes Jahr vorgehalten. Dieser Haushaltsentwurf ist Beweis für das Fehlen jeglichen Gestaltungswillens oder -könnens. In Ihrer Antrittsrede – die kann man im Internet immer noch anschauen – haben Sie versprochen, Gestalter zu sein und davon ist nichts übriggeblieben.

Thema Beteiligung des Stadtrats:

Wenn ich als Ratsmitglied mein Anfrage-Recht ausübe, dann erwarte ich, dass Sie diese Fragen auch anständig und umfassend beantworten. Drei einfache, geschlossene Fragen zum Thema Blackout. Sie haben diese Anfrage zu spät, unvollständig und in nicht hinnehmbarer Weise beantwortet, nämlich mir einfach die Antwort auf eine ähnlich lautende Presseanfrage 14 Tage später zugesandt. Schon allein, dass die Presse Ähnliches fragt, zeigt, dass das Thema allgemein wichtig und interessant und nicht missbräuchlich ist. Und da Sie auf meine kritische E-Mail auch nicht reagiert haben, frage ich mich, ob ich Sie jetzt wirklich verurteilen lassen soll, die dritte Frage ebenfalls zu beantworten. Herr Oberbürgermeister, wollen Sie das wirklich?

Thema Presseerklärungen der Verwaltung:

Gem. Abs. 1 §33 GemO haben Sie den Rat über alle wichtigen Angelegenheiten der Gemeinde zu unterrichten. Und zum wiederholten Mal unterlassen Sie das. Als gewähltes Ratsmitglied muss ich aus der Zeitung lesen, dass beispielsweise der Umzug des Bürgerservice in das Kaufhofgebäude nun vollzogen wird. „Aus der Zeitung“! Ist es wirklich zu viel verlangt, dass Sie den Rat frühzeitig und angemessen informieren?

Herr Kessel, ich schätze Sie von Ihrer Person her sehr. Aber ich erwarte, dass Sie Ihren Umgang mit dem Rat ändern!

Der vorgelegte Haushalt ist nach wie vor wegen Verfassungswidrigkeit auf jeden Fall abzulehnen und ich fordere Sie auf, das auch zu tun. Den Haushalt abgelehnt hat die FDP vor 39 Jahren übrigens auch.